Yogaphilosophie ganz einfach

Yogaphilosophie ganz einfach Teil 1

Warum wir zum Yoga finden

Die Gründe, warum ein Mensch in der heutigen Zeit zum Yoga findet, sind sehr vielfältig und ganz oft steht der Wunsch nach spiritueller Entwicklung NICHT an erster Stelle.

Häufig ist es eher ein ein Symptom unserer schnelllebigen Gesellschaft, welches uns in eine Yogaklasse führt. Ganz viele Menschen kommen zum Yoga, weil sie ungutem Stress (sogenannter Distress) ausgesetzt sind, nicht mehr gut schlafen können, weil der Rücken schmerzt, der Kopf wehtut. Oder weil sie nicht mehr so richtig abschalten können. Oder weil sie eine undefinierbare Leere in ihrem Leben spüren, welche einfach nicht gut tut….

Dennoch ist und bleibt Yoga eine spirituelle Praxis und es lohnt sich unbedingt, diesen Weg zu gehen. Wenn du nach deiner allerersten Yogastunde seit langem mal wieder gut schläfst, dann ist das Glücksgefühl unbeschreiblich. Natürlich kommst du dann gerne wieder in die Yogaklasse und so ganz langsam und unbemerkt gelangst du dann doch auf den Weg deiner spirituellen Entwicklung.

Welch ein Glück! Denn: Du beginnst, mehr auf dich zu achten, achtest auf deinen Atem, spürst wieder, was dir gut tut, und auch, was dir nicht gut tut…. So bekommst mit zunehmender Praxis wieder mehr Zugang zu dir selbst und dein Leben gewinnt an Freude und Sinnhaftigkeit. Du lernst wieder, dich auf gute und positive Dinge zu fokussieren und gehst gelassener mit den nicht so schönen Ereignissen deines Lebens um… Na, liest sich das gut? Dann weiter….

Patanjali und die Yogasutren

Patanjali war ein indischer Gelehrter und hat vor mehr als 2000 Jahren gelebt, man weiß es nicht so genau und es ist ja auch nicht wirklich wichtig, wann er gelebt hat. Von ihm stammt eine der wichtigsten Schriften des Yoga überhaupt: Patanjalis Yogasutra. Dabei handelt es sich um ca. 200 kurze Verse, welche in einer sinnvollen Reihenfolge aufgeschrieben wurden und die dir auf deinem Yogaweg durch ganz konkrete Handlungsempfehlungen helfen. Die Yogasutren werden ganz oft als das wichtigste Grundlagenwerk des Yoga bezeichnet, zu Recht, wie ich finde.

Und auch wenn diese Schriften uralt sind – der Inhalt ist 1:1 umsetzbar in unsere Welt. Du wirst staunen, wie aktuell die Empfehlungen in unser Jahrtausend und erst recht in unser Leben passen.

Der achtgliedrige Pfad des Yoga

Patanjali schreibt, dass der Weg des Yoga über acht Stufen geht. Acht Stufen – das ist ja nicht viel, könnte man meinen. Diese acht Stufen sind ein Prozess, der dich dein ganzes Leben lang begleitet und der dir auch ziemlich viel Disziplin abverlangt. Der Weg des Yoga….

Das Sanskrit-Wort für diesen sogenannten achtgliedrigen Pfad des Yoga heißt Ashtanga. Diese acht Schritte oder auch Elemente des Yogaweges werden in der Literatur häufig als philosophisches Fundament des Yoga bezeichnet.

Und hier kommen sie, die acht Elemente des Yoga:

        • Yama (Fünf Regeln im Umgang mit unserem Umfeld)
        • Niyama (Fünf Regeln im Umgang mit uns selbst)
        • Asana (Die Körperübungen)
        • Pranayama (Die Atemübungen)
        • Pratyahara (Das Zurückziehen der Sinne)
        • Dharana (Konzentration)
        • Dhyana (Meditation) und
        • Samadhi Die höchste Stufe – unbeschreiblich, Glückseligkeit, Freiheit, Einssein mit allem…)

 

Die Yamas – fünf Regeln im Umfang mit unserem Umfeld

Hierbei handelt es sich um allgemeine ethische Gebote. Ganz sicher kennt ihr diese, viele unserer heutigen Werte entsprechen den Yamas. Also los:

  • Ahimsa bedeutet Gewaltlosigkeit, niemandem schaden, nicht verletzen. Dabei geht es darum, wie wir mit unseren Mitlebewesen umgehen (Menschen und Tiere). Auf Ahimsa beruht in vielen Yogatraditionen die Empfehlung zu einer tier(leid)freien Ernährung. Es geht bei dieser Regel aber nicht nur um die Taten, sondern auch um unsere Gedanken und unsere Worte. Jeder von uns weiß, dass böse, gehässige Worte manchmal mehr verletzen können, als alles andere….Böse und gehässige Gedanken können uns zu harten und verbitterten Menschen machen. Dauerhaft toxische Gedanken können uns und unser Umfeld krank machen, Beispiele dafür gibt es genug.
  • Satya bedeutet Wahrhaftigkeit. Hier geht es darum, gegenüber seinen Mitmenschen ehrlich zu sein. Die Wahrheit zu sagen. Achtung: Ist diese Wahrheit verletzend, dann üben wir uns in Ahimsa und schweigen lieber…Also achte auf deine Worte gegenüber anderen Menschen. Und auch: Belüge dich nicht selbst.
  • Asteya bedeutet nicht stehlen. Soweit, so gut. Hier gehts aber über den eigentlichen Diebstahl von Dingen weit hinaus. Es geht darum, Missgunst und Neid zu vermeiden. Nicht haben wollen, was andere haben bzw. nicht gönnen können. Neid auf Kollegen, die die Position erhalten haben, die wir wollten… Sich „mit fremden Federn schmücken“, Ideen anderer als die eigenen darstellen….. All dass gehört hier dazu.
  • Brahmacharya wird oft als Leben in (sexueller) Enthaltsamkeit interpretiert. Bei Patanjali geht es jedoch nicht um die völlige Selbstkasteiung. Alles in Maßen – die Dosis macht das Gift. Es geht darum, sich maßvoll in der Welt zu bewegen. Essen, Schlafen, Trinken, Sex – nicht zuviel und nicht zuwenig.
  • Aparigraha bedeutet nicht horten, nicht (zu)greifen und Besitz anhäufen. Besitz belastet und ein zu viel davon, macht unfrei. Auf die Annahme von Geschenken, solltest du dann verzichten, wenn du dadurch in eine Abhängigkeit vom Schenkenden geraten könntest. Das gilt auf für Titel und Positionen im Berufsleben…. Spannend, oder?

 

Die Niyamas – fünf Regeln für den Umgang mit uns selbst

Zu den Yamas, welche natürlich auch für den Umgang mit uns selbst gelten, kommen die Niyamas und wir gehen wieder mehr zu uns selbst:

  • Saucha bedeutet Reinheit und Sauberkeit. Dabei gehts um den äußeren und den inneren Körper. Die tägliche Dusche ist für uns normal und nicht der Rede wert. Wie viele Menschen können ihren Körper nur mühsam sauber halten, da sie keinen Zugang zu frischem bzw. sauberem Wasser haben, nicht zum trinken und erst recht nicht zum waschen? Den inneren Körper hältst du mit guter Nahrung sauber, also wähle sorgfältig.
  • Santosha heißt Zufriedenheit. Anzuerkennen, was man hat. Einen inneren Frieden spüren und sich nicht auf den Mangel dessen zu fokussieren, was man nicht hat. Schau bewusst und positiv auf dein Leben, auf die vielen Möglichkeiten, die dir das Leben schenkt. Nicht auf dass, was nicht geht… Sei zufrieden. Santosha ist im übrigen mein Lieblings-Niyama…
  • Tapas bedeutet soviel wie „erhitzen“. Hier darfst und sollst du dich in deiner Yogapraxis auch richtig anstrengen, um ein „inneres Feuer“ zu erzeugen. Dadurch kann dein Körper Unreinheiten und Schlacken abbauen und sich von innen reinigen.
  • Svadhyaya: Hier geht es um das Studium der heiligen Schriften, konkret auch darum, deinen Geist rein zu halten und ihn mit „spirituellen“ Futter zu versorgen. Wenn du die alten Yogatexte liest, besser gesagt die vielen schönen Übersetzungen davon, dann wirst du in einen Erkenntnisprozess einsteigen und diesen dann in deiner eigenen Praxis umsetzen. Selbstreflexion vom allerfeinsten…
  • Ishvara-Pranidana bedeutet Hingabe. Tauche ganz tief ein in deine Yogapraxis, tue alles, was du tust, mit ganzer Aufmerksamkeit. Hingabe heißt auch bedingungslose Liebe. Das ganz da-sein im Moment, das sich vollständige drauf einlassen auf eine Sache. Bitte probiere dieses fünfte Niyama aus. Wähle eine für dich ganz einfache Yogahaltung (Balasana – die Position des Kindes oder eine einfache Sitzhaltung) und dann tauche ganz tief ein. Gib dich hin, sei im Moment. Wenn dein Verstand dich durch Gedanken ablenken möchte, kehre immer wieder zurück…

 

FAZIT:

Die Yamas und die Niyamas sind hilfreiche Empfehlungen für jeden yogapraktizierenden Menschen. Sie sind kein Zwang! In der Literatur finden wir ganz unterschiedliche Interpretationen dazu. Und je nachdem, in welcher Phase deiner Praxis du dich gerade befindest, wird sich auch die Interpretation dieser Richtlinien für dich persönlich verändern. Yoga holt jeden Menschen dort ab, wo er sich gerade befindet. Freiheit pur und Glück dazu.

Lesetipp:

Mein Lieblingsbuch „Patanjalis Yogasutra“ ist von Ralph Skuban geschrieben und erschienen im arkana-Verlag.

Kannst du dich mit Yamas und Niyamas identifizieren? Ich freu mich auf deine Meinung.